Zuletzt aktualisiert am: 06.10.2025
Siebzehnter Titel (Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren)(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist 1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; 2. ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
Folgende Vorschriften verweisen auf § 198 GVG:
§ 9 Allgemeine Verfahrensvorschriften und Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren
§ 96 Anwendung der Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes; Verordnungsermächtigung
Abschnitt 3 (Gerichtliches Verfahren in verwaltungsrechtlichen Notarsachen)
§ 111h Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren
§ 96a Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren
§ 128b
§ 155b Beschleunigungsrüge
§ 155
§ 173
§ 199
§ 201
News im Umkreis zu § 198 GVG1.000 € für zu langes BAföG-Verwaltungsgerichtsverfahren
... in angemessener und absehbarer Zeit über die Hauptsache entschieden werden könne. Mit weiterem Schriftsatz vom 11. Mai 2019 rügte der Kläger die Dauer des Verfahrens gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG. Unter dem 12. August 2019 teilte das Verwaltungsgericht den Beteiligten mit, dass das Verfahren nach einem erneuten Kammerwechsel nunmehr unter ...
Nach rechtswidriger Abschiebehaft hohe Hürden für Entschädigung
Karlsruhe. Wenn eine Abschiebehaft rechtswidrig ist, kann dies im Grundsatz für den betroffenen Flüchtling eine Entschädigung nach sich ziehen. Am Donnerstag, 18. April 2019, verkündete der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil, dass entsprechende Amtshaftungsansprüche nicht gegenüber dem Bund, sondern nur gegenüber dem jeweiligen Bundesland ...
Entschädigung für Gewaltopfer in allen EU-Staaten
Luxemburg. Jede Person, die in der EU Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist, muss in jedem Fall eine Entschädigung erhalten. Sofern ein Mitgliedstaat dies noch nicht in einem Gesetz geregelt hat, können die Gerichte dieses Landes einen Entschädigungsanspruch direkt aus dem EU-Recht ableiten, so das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ...
310€ Entschädigung für Krankheit durch verseuchtes Trinkwasser ist zu wenig
Straßburg. Müssen Verbraucher wegen verunreinigtem Trinkwasser für zwei Wochen ins Krankenhaus, dürfen sie nicht mit einer Entschädigung von wenigen Hundert Euro abgespeist werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg am Dienstag, 25. Oktober 2016, entschieden und einer in Moldawien lebenden Mutter 4.000 ...
Steuerfreie Diskriminierungsentschädigung des Arbeitgebers
Neustadt/Weinstraße. Eine Diskriminierungsentschädigung des Arbeitgebers ist kein steuerbarer Arbeitslohn. Das gilt auch, wenn die Entschädigung im Zuge eines Vergleichs gezahlt wurde, wie das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz in Neustadt an der Weinstraße in einem am Dienstag, 25. April 2017, veröffentlichten Urteil entschied (Az.: 5 K ...
Entschädigung für Fluggäste in Landeswährung
Luxemburg. Bei erheblicher Verspätung oder Annullierung eines Fluges haben Fluggäste Anspruch auf Entschädigung in ihrer jeweiligen Landeswährung, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg jetzt zugunsten einer Polin entschieden hat (Az. C-356/19). Wenn die Fluggesellschaft ihre Kunden jedoch in einem Hotel unterbringen muss, haftet ...
„Einfach Beigeladene“ können bei überlangen Verfahren Entschädigung verlangen
Kassel. Bei übermäßig langen Gerichtsverfahren können auch einfach beigeladene Prozessbeteiligte eine Entschädigung verlangen. Auch für sie gilt die Vermutung, dass sie wegen der überlangen Verfahrensdauer Nachteile erlitten haben, wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am 17. Dezember 2020 entschied (Az.: B 10 ÜG 1/19 R).Demnach kann ein ...
Entschädigung wegen Diskriminierung ist Teil der Insolvenzmasse
Stuttgart. Der Anspruch schwerbehinderter überschuldeter Arbeitnehmer auf Diskriminierungsentschädigung kann abgetreten und gepfändet werden. Die geforderte Entschädigung ist Teil der Insolvenzmasse, über die der verschuldete Arbeitnehmer nicht frei verfügen kann, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in einem am Samstag, ...
Deutschland muss für rechtswidrige Sicherungsverwahrung aufkommen
Hamm. Sind Straftäter rechtswidrig in Sicherungsverwahrung genommen worden, können sie für jeden Monat ihrer Unterbringung 500 Euro Entschädigung beanspruchen. Zu Unrecht untergebrachte Sicherungsverwahrte müssen sich jedoch mit einer geringeren Entschädigung begnügen, als zu Unrecht in Strafhaft genommene Straftäter, entschied das ...
Entschädigung nach Stromleitungsbau einkommensteuerfrei
München. Erhalten Eigentümer für die Überspannung ihres selbstbewohnten Hausgrundstücks mit einer Hochspannungsleitung einmalig eine Entschädigung, wird hierfür keine Einkommensteuer fällig. Bei der Entschädigung handelt es sich weder um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung noch um sogenannte sonstige Einkünfte, entschied der ...
Überlange Gerichtsverfahren: Entschädigung auch für Unternehmen
Die gesetzliche Entschädigungspauschale wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens kann auch bei einem nur geringen Streitwert sowie von Unternehmen beansprucht werden. Nur in „atypischen Sonderfällen“, wie beispielsweise bei Verfahren mit einer „außergewöhnlich geringen Bedeutung“, kann die Entschädigung gekürzt werden, urteilte das ...
Bei Annullierung einer Pauschalreise keinen doppelten Schadenersatz
Karlsruhe. Erhält der Pauschalreisende nach einer Stornierung durch den Veranstalter eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit, kann er nicht zusätzlich auch noch eine Entschädigung von der Fluggesellschaft verlangen. Die Zahlung des Veranstalters wird auf die Fluggastentschädigung angerechnet, entschied der Bundesgerichtshof ...
Forenposts passend zu § 198 GVGAlle 15 Klagen bei der gleichen Richterin, ist das zulässig?
Und das Gericht lässt sich, in diesem hypothetischen Fall, sehr viel Zeit mit den einzelnen Klagen zur Entscheidung, bis hin zu über 5 Jahren in Einzelfällen. Dann hätte man längst eine Verzögerungsrüge nach § 198 GVG in Betracht ziehen sollen. https://sozialrecht-aktuell.blogspot.com/2013/04/verzogerungsrugen-richtig-formulieren.html BSG zur ...
Ladungsfähige Anschrift im Ausland / Rechtmäßigkeit des Haftbefehls
hat ein verurteilter ein recht in einem gewissen zeitraum nach der rechtskraft des urteils (z.b. ein monat, oder drei monate oder ein jahr usw.) zum strafantritt eingeladen zu werden ? Nein, einen verbindlichen Zeitraum gibt es nicht. Auch eine Teilvollstreckungserklärung im Sinne von § 198 GVG dürfte hier nicht möglich sein, da der nach ...
Scheidung und Vaterschaftsanfechtung mit Auslandsbezug
Hallo, bezüglich der Verfahrensdauer könnte eine Verzögerungsrüge, § 198 GVG, in Betracht gezogen werden.
Prozessverschleppung bei Urteilsbegründung
AW: Prozessverschleppung bei Urteilsbegründung § 198 GVG. Zuständig ist das Oberlandesgericht des Bezirks, dort herrscht Anwaltszwang. Wenn kein finanzieller Nachteil entstanden ist, bekommt man salopp gesagt eine amtliche Entschuldigung. Die Klage ist fristgebunden und muss spätestens sechs Monate nach Rechtskraft erhoben werden, das ist ...
vom Gericht gesetzte Frist für Gutachten verstrichen
... kann, wird diese noch verlängert - siehe Beitrag #9. Die Kosten, die durch die Verzögerung entstehen, sind wohl Folgeschäden des Unfalls und könnten ggf. beim Gegner geltend gemacht werden. Hierzu müsste ggf. die Klage erweitert werden (das weiß der Anwalt des Klägers aber auch). Beachte an dieser Stelle auch die Verzögerungsrüge nach § ...
Beschwerde Amtsgericht=> Wo und Wie?
... offensichtlich das Gericht säumig ist. Trost: Entsteht dem Gläubiger ein Schaden, kommt Amtshaftung in Frage; das Richterspruchprivileg gilt hierfür nicht. Zwei Nachträge: 1. § 198 GVG betrachtet zwar andere - längere - Zeiträume; die betreffen aber die Geltendmachung von Schadenseratzansprüchen und können m. E. hier auf die Frage, nach ...
Nach zwei Jahren noch keine Verhandlung
Eine Verzögerungsrüge gemäß 198 GVG ist nicht nur angebracht, sondern auch dringlich geboten. Mit der abgeschlossenen Beweisaufnahme ist wohl anzunehmenderweise der Abschluss des Ermittlungsverfahrens gemeint.
Selbständiges Beweisverfahren
Hallo, wurde bereits eine Verzögerungsrüge, § 198 GVG, in Betracht gezogen? Konnte der Mieter in diesem Zeitraum überhaupt nicht heizen? Um wie viel % wurde die Miete gemindert, wenn erst nach 21 Monaten zwei Bruttomieten erreicht wurden? Gab es seitens des Vermieters keinen Versuch den Mangel zu beheben? Wieso beantragte der Vermieter ein ...
Abwendung einer allgemeinen Impfpflicht
Innerhalb der Länder gibt es dann wiederum die Kommunen, die sich nicht reinreden lassen wollen. Es sei denn, dass sie Geld vom Bund wollen. Und was nutzt es Gesetze einzuführen wie § 198 GVG, um dann hinterher Geschädigte am langen Arm verhungern zu lassen, indem man darauf verweist, dass Behörden und Gerichte Landessache sind. Einem ...
Wie oft darf ein Gericht ein Verfahren verschieben
Nennen wir es lieber Verzögerungen ;). Und was das Akzeptieren angeht, ist das so eine Sache....viel machen kann man nicht. Allerdings gibt es den § 198 GVG, dessen Lektüre ich hiermit empfehle. Zu beachten ist dabei insbesondere Absatz 3 der Norm, wonach immer eine sog. Verzögerungsrüge notwendig ist.
Beschwerde gegen Einstellung auch ohne Einstellung?
Ja, ich bin sicher, dass ein Zeuge grds. Verfahrensbeteiligter ist: https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/ordentliche_gerichte/Strafgericht/verfahren/Verfahrensbeteiligte/index.php Und ein Geschädigter ist zumindest in den allermeisten Fällen auch gleichzeitig Zeuge. ABER: Wie ich gerade nach nochmaligem googlen gesehen habe, soll § ...
Wie frei ist ein Staatsanwalt wirklich?
Hallo @Benutzer1a, es gibt zwar die Verzögerungsrüge, § 198 GVG, aber diese ist sogar noch in den *Baby-Schuhen*. Trotzdem ein erster Erfolg: ?p=424 Fraglich ist nur, wie dies mit Ermittlungsverfahren funktionieren soll, wenn die Sparmaßnahmen fortdauern. Wenn immer nur von einer Stelle abgezogen ...
Entscheidungen zu § 198 GVG
OLG-MUENCHEN, 4 VAs 8/13
1. Mit Inkrafttreten von § 198 GVG zum 3.12.2011 aufgrund des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist die Untätigkeitsrechtsbeschwerde in Strafvollzugssachen nicht mehr statthaft.2. Ist die Sache bei der Strafvollstreckungskammer noch nicht abgeschlossen, ...
BFH, X K 11/12
1. Der Vertretungszwang gemäß § 62 Abs. 4 FGO gilt auch bei Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer nach § 198 GVG, für die in Bezug auf finanzgerichtliche Verfahren ausschließlich der BFH zuständig ist (§ 155 Satz 2 FGO). 2. Der Vertretungszwang verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art. ...
BGH, III ZR 335/13
... Ermittlungsverfahren (ÜGRG) bereits verzögert war. b) Wird die Verzögerungsrüge gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG nicht unverzüglich erhoben, besteht ein Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG erst vom Rügezeitpunkt an (Umkehrschluss aus Art. 23 Satz 3 ÜGRG). c) Geringfügige Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, ...
OLG-FRANKFURT-AM-MAIN, 4 EntV 7/12
1. Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Entschädigungsklage nach § 198 GVG hat nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. d. § 114 ZPO, wenn der nicht anwaltlich vertretene Antragsteller substantiiert einen Sachverhalt schildert, aus dem sich - seine Richtigkeit unterstellt - schlüssig die ...